Gabel
Kaum jemand wusste, dass der Änderungsschneider Baldauf über dreihundert Walzer komponiert hatte, die allesamt kein einziges Mal aufgeführt worden waren. Baldauf wurde erst durch das Verschlucken einer Gabel zu einer Berühmtheit ersten Ranges. Er besaß eine so merkwürdig konstruierte Kehle, dass er zum Erstaunen seiner Kunden in der Schneiderei immer wieder eine dreißig Zentimeter lange Schere bis an den Griff in seinem Mund verschwinden ließ. Bei einem sommerlichen Zeltfest in Maria Elend nahm Baldauf zur Abwechslung eine Gabel zur Hand und steckte sie tief in seine Kehle, bis er nur mehr die Zinken mit zusammengebissenen Zähnen hielt und schließlich den Mund schloss. Als er aber die Gabel wieder hervorbringen wollte, machte er einen tiefen unfreiwilligen Atemzug und die Gabel glitt seinen Magen hinab. Dieses Vorkommnis rief im Festzelt von Maria Elend und in der ganzen medizinischen Welt großes Aufsehen hervor. Baldauf, der von der Gabel zuerst nur belästigt wurde, wenn er sich im Schlaf drehte oder seine Lage änderte, komponierte einen Walzer, den er den Gabel-Walzer nannte. Infolge der auf das Material einwirkenden Magensäure stellten sich nach einiger Zeit allerdings Vergiftungserscheinungen ein und Baldauf musste sich einer Operation entziehen. Die Operation glückte so gut, dass er danach fünfundzwanzig Jahre gesund weiterlebte, Hosen flickte, Hemdknöpfe annähte, Mäntel und Röcke kürzte und an die vierhundert weitere Walzer komponierte, die ebenfalls alle niemals einem Publikum zu Gehör gebracht wurden. In all diesen Jahrzehnten sah niemand einen Zusammenhang zwischen der Unhörbarkeit von Baldaufs Walzern und seiner Fähigkeit des Verschluckens großer Gegenstände. Erst Schockemöhle hat bei einer Cocktailparty in illustrer Runde auf diesen Umstand hingewiesen und damit große Beachtung gefunden. Als er jedoch auch noch auf die Bedeutung von Baldaufs Tätigkeit als Änderungsschneider für seine Musik hinwies, fanden die meisten, Schockemöhle sei nun zu weit gegangen.