Windrose

Der aus Köln stammende, aber seit mehr als einem Jahrzehnt in Wien ansässige Korrespondent Reifmüller erlaubte es sich selbst, Wetterbeschreibungen in Romanen sofort zu überblättern. In herkömmlichen Fällen schienen ihm diese Stellen langweilig, unnütz und nur der Vermehrung der Seitenzahl zu dienen; im Falle von Romanen, die in Wien handelten, erzürnten sie ihn aber, weil sie das Wetter völlig falsch darstellten. Wie Reifmüller auf seinen Ausflügen über viele Jahre festgestellt hatte, gab es nämlich in Wien weder Westwind noch Südwind, auch nicht Ostwind oder Nordwind. In Wien hatte man, unabhängig von Aufenthaltsort und Bewegungsrichtung, immer Gegenwind. Reifmüller war überrascht, als er bei Adalbert Stifter folgende Stelle fand, die er nicht nur nicht überblätterte, sondern sogar mit Bleistift dreifach markierte: »Ich glaube nun zur Genüge dargetan zu haben, dass wir auch an objektivem Wetter eine eigene Sorte haben, wenn ich noch kurz das herwerfe, dass, wenn es schneit oder regnet, es auf dem flachen Lande ganz ruhig von einer Seite her regnet oder schneit, bei uns aber gleich von allen: von Osten, Westen, Süden, Norden und allen Zwischengegenden der Windrose.«

●●●

es schneit, dann fällt der regen nieder,
dann schneit es, regnet es und schneit,
dann regnet es die ganze zeit,
es regnet und dann schneit es wieder.

(Ror Wolf)