Mondschein
»Wir leben auf einem Haufen von Leichen und dieser Leichenhaufen, auf dem wir leben, liegt wieder auf einem Haufen von Leichen und so weiter und so fort.« Diesen Satz sagte der Wiener Dichter Waldmeister wieder und wieder zu sich selbst, hielt ihn aber zunächst für ein poetisches Bild, für den Ausdruck Waldmeisterscher Melancholie. Dann erfuhr der Dichter Waldmeister, dass die Mondscheingasse, in der er lebte, 1783 auf dem Areal des von Joseph II. aufgelassenen Friedhofs St. Ulrich errichtet worden war. Mehr noch: Beim Bau der Mondscheingasse stieß man auf ein unter dem Friedhof St. Ulrich liegendes Gräberfeld. »Leichen über Leichen über Leichen«, sagte Waldmeister zu sich selbst. »Oder siehst du hier irgendwo den Mondschein?«