Der unvergleichliche Wald

Der unvergleichliche Wald

 

Den unvergleichlichen Wald, der mit nichts verglichen werden konnte, durchfloss ein Gebirgsbach, der klar war wie ein Gebirgsbach. An diesem Gebirgsbach entlang ging Silvester Sillaber im dreiundfünfzigsten Jahr seines Lebens und aß dabei zwei Tramezzini, die aussahen wie dreieckige Scheiben eines belegten porigen Weißbrots ohne Rand, das ursprünglich aus Turin stammt. Das zweite Tramezzino aß er nicht auf, sondern steckte es zurück in die Alufolie, die knisterte wie Stanniolpapier. Erst im darauffolgenden März, als er die erste Wanderung des Jahres machte, fand er den Rest des Tramezzinos in seinem Rucksack wieder und eine Erinnerung stieg in ihm auf wie ein Gedanke an vergangene Zeiten. Sillaber ging beim Wandern an drei hohen Weiden vorbei. Die Weiden waren hoch gewachsen und gehörten zur Familie der Weidengewächse.

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Pascal sagte ungefähr: das ganze Elend kommt da her, daß man immerfort glaubt, sich mit Unendlichem vergleichen zu müssen. Und ein anderes Elend – das sagte nicht Pascal – kommt da her, daß man glaubt, überhaupt vergleichen zu müssen. Während ich das schreibe, sehe ich draußen auf der Straße zwei Straßenkehrer mit großen Besen den Gehsteig kehren. Beide haben einen orange-weiß gestreiften Dress wie Radrennfahrer, beide haben weite, verknüllte Hosen wie Landstreicher oder wie Figuren in einem Beckett-Stück, beide haben Gesichter wie Südländer, beide tragen Mützen wie auf Kriegsgefangenenbildern aus dem ersten Weltkrieg, beide gehen mit steifen Knien und platten Füßen wie Tippelbrüder, alle drei – jetzt kommt ein dritter, ein vierter dazu – tragen schwarze Fäustlinge wie die Schneeräumtrupps im Winter, alle fünf gleichen mit ihren riesigen Besen und Schaufeln, die sie recht klein aussehen lassen, Figuren auf einem Bild von Breughel.

(Peter Handke: Das Elend des Vergleichens)