Dein ist mein Herz
Immer wieder bedauerte Direktor Hirschmann, Leiter des Sommertheaters Eichgraben, dass er für das im Jahre 1932 aufgeführte Lustspiel mit Gesang mit dem Titel Die Frau ohne Kuss nicht die begnadete junge Sopranistin und Komödiantin Liane Steinlein verpflichten konnte. Wiewohl er ihr weitestgehend entgegengekommen sei, übersteige es die Möglichkeiten des Sommertheaters Eichgraben, in jeder von Fräulein Steinleins Vorstellungen drei Notärzte in der ersten Reihe in Bereitschaft zu halten. Ein Arzt müsse sich, so die Forderung der Schauspielerin, für den Fall bereithalten, dass sie auf der Bühne einen Herzschlag oder Schlaganfall erleide. Der zweite Arzt müsse sich für den Fall bereithalten, dass einer der drei Ärzte einen Herzschlag oder Schlaganfall erleide. Direktor Hirschmanns Einwand, die gewünschten Vorsichtsmaßnahmen seien übertrieben, quittierte Steinlein mit Unverständnis. In New York sei im Juli 1927 die große June Mathis im dritten Akt der Komödie The Squall mit den Worten Mutter, ich sterbe auf der Bühne vom Schlag getroffen zusammengebrochen und kurz darauf gestorben, weil es geschlagene vierzehn Minuten gedauert habe, bis ein Arzt vor Ort gewesen sei. Im April 1928 sei in Rosenheim Wilhelm Bonnett vom Schlage getroffen durch die Dekoration auf die Bühne gestürzt und daraufhin einfach in die Garderobe getragen worden. Seiner Frau, die ebenfalls in der Komödie mitwirkte und von der Tragödie ihres Mannes nichts mitbekommen hatte, sagte man erst nach der Vorstellung, Herr Bonnett habe sich wegen Unwohlsein in die Garderobe begeben, wo sie ihn nur mehr tot antraf. Im Zittauer Stadttheater sei im vergangenen Jahr Valerie von Linten während der Oper Der Wildschütz an einem Schlaganfall gestorben und der Theaterarzt konnte ihr nicht mehr helfen. Der zweiundvierzigjährige Wiener Gesangskomiker Eduard Schreiber sei ebenfalls im vergangenen Jahr in Leoben während der Aufführung der Operette Dein ist mein Herz am Herzschlag gestorben, während Franz Lindlar, Bariton der Kölner Oper, im ersten Akt der Oper Turandot einen Schlaganfall erlitt, aber erst nach Beendigung der Aufführung verschied. Sie bestehe also, so Liane Steinlein abschließend, auf drei Ärzten in Bereitschaft, denn sie wolle weder in Eichgraben sterben noch in Eichgraben begraben werden.