Pferdeschweiß
Wenn ein Gast in der Weinstube Zum Pfauen schon kurz nach sieben Uhr morgens ein Bier bestellte, so servierte die Kellnerin Ridi dieses Bier mit besonderer Selbstverständlichkeit und sagte Zum Wohl, damit der betreffende Gast sich nicht etwa ertappt oder schlecht fühlte. Im Fall des Önologen Scheidl war diese Vorsichtsmaßnahme nicht notwendig, denn Scheidl gab unaufgefordert Auskunft darüber, dass er an Tagen, an denen er bei den umliegenden Winzern Rotweine im Barriqueausbau auf Pferdeschweiß testete, nichts so sehr schätze, wie ein frühmorgendliches kühles, süffiges, vollmundiges Bier. Pferdeschweiß, so der Önologe Scheidl weiter zur bereits desinteressierten Kellnerin Ridi, sei nämlich eine besonders übel schmeckende Weinkrankheit, die durch eine zu hohe Konzentration flüchtiger Phenole von Hefen der Gattung Brettanomyces ausgelöst wurde, wodurch man Pferdeschweiß niemals sehen, sondern nur an seinem bitumenartig, speckig-animalischen Geschmack erkennen könne. Die Kellnerin Ridi fragte Scheidl, ob er noch ein Bier wolle. Scheidl nickte.